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der Vorzeit knüpfen, und in sofern frommt es al-
so doch zu wissen, daß heute vor 279 Jahren der
älteste bekannte Stammherr aller Hof-
narren in Sachsen verblich.
Vom Anbeginn gab es Narren genug in
der Welt in iedem Alter, iedem Stande, und
doch heischte es die Sitte der Vorzeit, daß Für-
sten Narren sogar besoldeten, welche nicht
selten ein Ansehen sich gaben, worauf der Weise-
ste nie Anspruch machen durfte — Freiheiten sich
Herausnahmen, die bei ihnen belacht, bei Ver-
nünftigen und Klugen getadelt, ia wohl gestraft
wurden — welche große Gehalte bezogen, indes
so mancher verdiente Prediger, Professor oder
Schulmann am Hungertuche nagte. —
Gewöhnlich hies der fürstliche Lustigmacher
Hofnarr, doch heißt er auch ofthans Narr,
Fatznarr,Stock narr, Speivogel, Freu-
den m a ch e r, P i ck e l h a r i n g, Schalksnarr,
Possenrei sser, Curtifan, lustiger,
kurzweiliger, Tischrath u. dgl. Auch
die Hofpoeten und Hofphilosophen wa-
ren im Mittelalter nicht viel besser als Hof-
narren.
Wären diese privilegirten und bezahlten Lu-
stigmacher nur immer witzige und feine Köpfe
gewesen, so bezahlte man in ihnen doch wenig-
stens einen guten Kern, wenn auch die Scha-
le immer schlecht blieb. Aber gewöhnlich wa-
ren es nur plumpe Possen-, ia wohl Zotenreiss-r,
, Men-
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52
len, was oft durch keine Arbeit und kein Geld
sich wieder ersetzen lies. Archive und Bibliothe-
ken wurden zerhauen, zerrissen, in Teiche gewor-
fen, zu Wachfeuern oder Patronen verbraucht.
Welche Summe gäbe iezt gern mancher Ort, man«
che Adels- oder Bürgerfamilie für eine einzige
Urkunde, welche damals vielleicht ein betrunkener
Soldat sich zum Spas, dem Besitzer zum Possen
zerriß, oder ins Feuer warf!
Ein ähnliches Schicksal hatte z. B. das Ma-
nuftript des sogenannten Pirnaischen Mönchs,
Johann Lindner, welches, von den Schwe-
den auf die Gasse geworfen, einem Würzkramer
in die Hände fiel, der es schon zu Däten verbrau-
chen wollte, als eben ein Landgeistlicher in den
Laden kam und dies historische Dokument vom Un-
tergänge rettete. Ueberhaupt Haufeten die Schwe-
den in Pirna vom löten bis 2zsten April 1639
so fürchterlich, daß man iene Zeit nur das Pir-
naische Elend nennt.
Weit trauriger gieng es dem armen Wur-
zen, welches durch Brand, Raub und Mord so
ruinü-t ward, daß eine Vorstellung deshalb an
den Kurfürsten, zu Ende des Kriegs, unterzeichnet
war: der Rath und durch 24 Plünde-
rungen z u G r u n d e gerichtete Einwoh-
ner. Die trübseligsten Jahre waren für die
unglückliche Stadt 1637, 1643, 1644, nach
welchen sie fast nur aus Brandstätten und Bet-
telleuten bestand; die trübseligsten Tage aber
der 4te bis 7te April 1637-— gerade die Pas-
sions-
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94
Deutlicher aber kann wohl nichts den Geist
der Zeit aussprechen, als daß man dergleichen
Ungeziefer auch sogar mitten in den Drangsalen
des Zoiahrigen Kriegs nicht abschafte, wo einem
doch in der That die Lust, Possen zu treiben und
zu sehen, vergehen konnte.
Ein goldnes Zeitalter, insofern man
darunter gute Bezahlung versteht, brach für die
Hofnarren mit dem Ende des i?ten Jahrhun-
derts an und dauerte bis in die Mitte des i8ten.
Der glänzende und frohe Ton, welcher damals
am Dresdner Hofe herrschte, verschafte diesen
Leuten ein recht bequemes Leben; und, wenn auch
beide Auguste, welche den Polnischen Thron be-
safen, viel zu gebildet waren, viel zu viel Sinn,
für feine Sitten, Kunst und Literatur hatten, als
daß ihnen Narren zum Zeitvertreib unentbehrlich
gewesen waren, so heischte sie doch der Zeitge-
schmack, so gehörten sie noch immer an allen Hö-
fen mit zum vollständigen Hofgesinde, so gut
als Bedienten, Läufer und Zwerge.
Joseph, Schmiedel und Leppert
heißt das lustige Kleeblatt, welches damals ziem-
lich zugleich in Dresden blühte. Schmiedel
und Leppert spielten nur untergeordnete Rol-
len, denn iener war mehr ein stolzer und mürri-
scher, als immer lustiger Mann, dieser, erst Lau-
ser, dann Hofnarr und endlich Schauspieler, ge-
hört mehr in die Klasse der T h e a t e r g e ck e n.
Joseph aber, mit dem Zunamen Frölich,
ein geborner Baier, brachte es durch Possen und
Ta-
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Extrahierte Personennamen: Joseph Schmiedel Schmiedel Joseph Baier
io6
Pfeifchen und fah, doch nicht ohne zu leiten und
zu rachen, den Gesellen zu. Seine lezte Arbeit
war die Orgel in der katholischen Kirche zu Dres-
den, doch starb er noch vor Vollendung derselben,
den 4. August 175 z im 7 Z ten Jahre.
Durch Fleis, Kenntnisse und Ordnung hatte
er ein bedeutendes Vermögen erworben. Seine
Orgeln zeichnen sich durch gute Anlage, Dauer,
vortreflichen Ton und leichte Behandlung aus;
so anch seine Klaviere und Pianoforten, von wel-
chen leztern Friedrich der Einzige 6 Stück, iedes
für 700 Thaler, nach Berlin kommen lies. Als
er im 7kahrigen Kriege durch Freiberg reifete,
kaufte er auch noch das leztverfertigte. Aus der
Familre Silbermann sind wenigstens sechs gute
Orgelbauer bekannt, davon einige in Frankreich
starben.
1767 geb. die kaiserliche Prinzessin There-
sia, Gemahlin« des königlichen Prinzen Anton
von Sachsen.
1093. t Wratislaw, König von Böhmen.
1754. geb. Brissot, Mitglied dcö ehemaligen National-
Konvents.
1766. f Friedrich V., König von Dänemark, der Klop-
stocken eine Pension gab, die Messiade in Ruhe zu
vollenden.
1797. Napoleons Sieg bei Rivoli über Alvinjy.
isster
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Extrahierte Personennamen: August Friedrich Friedrich Silbermann Anton
von_Sachsen Wratislaw Wratislaw Friedrich_V. Friedrich_V. Napoleons Alvinjy
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Freiberg Frankreich Dänemark Napoleons Rivoli
ii;
16t« Januar.
1601. Johann Georg I. tritt seine Reise
nach Italien an.
(§chon sals sechsjähriger Prinz hatte Johann
Georg den Vater, Christians, verloren und
stand, nebsi seinem altern Bruder, Christian ll.
unter der Vormundschaft des Herzogs Friedrich
Wilhelm von Sachscn-Altenburg. Dieser scheint
den iüngern Prinzen besonders geliebt zu haben,
denn er erlaubte und rieth ihm, ohne daß sein
Bruder eine Silbe vorher merken durfte, eine
Reise nach Italien, „der auswärtigen Herr-
schaften und Potentaten Gebrauche und Ge-
seze zu Erlangung einer völligen Regi-
ments-Wissenschaft zu sehen und zu er-
lernen. "
Eine Italienische Reise aber war für einen
protestantischen Prinzen kein kleines Wag-
stück, damals, wo Italien noch als das Va-
terland der Intoleranz verschrieen war. Da-
zu kam noch die ziemlich freie Lebensart der Ita-
liener, die Unsicherheit der Strafen, selbst in den
Hauptstädten, durch Räuber und Banditen.
Kein Wunder also, daß Johann Georg auf die-
ser Reise ein, auch noch in ökonomischer Hinsicht
zuträgliches, Incognito annahm.
Junker Hans v. Nißmiz— unter die-
sem Namen trat der Prinz die Reise an, beglei-
tet von seinem Hofmeister, Georg v. Nißmiz,
H für
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Extrahierte Personennamen: Johann Johann
Georg Johann Christians Christian_ll Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Johann_Georg Johann Hans_v Georg_v
210
untersagen lies. Doch konnte dieser seinen Rei-
seplan, der bis 1719 berechnet war, aus meh-
rern Gründen nicht wohl andern. Auch wußte er
wohl, daß den Landstanden nur die Reise nach
Rom so bedenklich war. Darum hielt er sich
meist in Florenz und Venedig auf und saugte da
gleichsam iene Liebe für die bildenden Künste ein,
deren wohlthatige Folgen Sachsen, besonders
Dresden, augenblicklich noch genießt.
Eben im Begrif Venedig zu verlassen, ward
er von den Blattern befallen. Doch überstand
er sie glücklich und reifete dann 1715 nach Frank-
reich, wo Ludwig Xiv. ihn mit den größten Eh-
renbezeugungen überhäufte. Beim Abschied zu
Marly ( 28. Mai 1715) umarmte er ihn in Ge-
genwart des ganzen Hofes,' und schenkte ihm ei-
nen mit Diamanten beseztendegen, über 150,000
Livres am Werth, iedem seiner Hofmeister aber
ivo Louisdor.
Von Paris ging der Prinz zum zweitenmal
nach Italien, wohin Natur, Kunst und Freude
gleich mächtig ihn einluden. Sein hoher Rang,
verbunden mit Schönheit und Bildung, verschafte
ihm Eingang an allen Italienischen Höfen, so
daß sein dortiger Aufenthalt' gleichsam nur e i n
Tag der Freude war. Ueberall ward er mit
Pracht eingeholt, mit Fest auf Fest unterhalten,
reichlich beschenkt und meilenweit prunkvoll be-
gleitet. Der Grosherzog von Florenz schenkte
ihm unter andern einen mit Steinen besezten Tisch,
über 20,000 Thaler am Werth und ähnliche Ga-
den
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig ivo_Louisdor
Extrahierte Ortsnamen: Rom Florenz Sachsen Dresden Frank- Paris Italien Florenz
'
3,15
Affektation, vornehme Besuche so lange warten,
bis er mit Frau, Knecht oder Nachbar die nöthi?
gern Wirthschaftsangelegenheiten besprochen hatte.
Einst besuchte ihn der Secretair S. . . e, ein
Mann von grosen Kenntnissen und jovialischcr
Laune. Pahlizsch hilft eben einen Wagen ans
der Scheune schaffen. S .. . e klopft ihn, un-
bemerkt, auf die Achsel: „Ei, ei, Pablitzschi
Astronome! was wurden die gelehrten Freunde
in London sagen, wenn sie iezt den Kometen-Ent-
decker sahen." — „Hm! was würden sie
sagen," entgegnete Pahlizsch lächelnd, „daß
Landwirthschaft, die erste aller Wis-
senschaften ist. Laßt der Bauer den
Acker liegen, so muß die Welt mit al-
len gelehrten Gesellschaften verhun-
gern."
Mit solchen Gesinnungen lebte Pahlizsch als
Weiser für Welt, Beruf und Wissenschaften,
starb, allgemein bedauert, im 6;ten Jahre und
ward zu Leubniz begraben, wo Dresdner, groß-
sentheils vornehme, Freunde, ihm ein Monument
sczen liessen.
Sein Bild ist, auf Kosten des verstorbenen
Geh. Raths v. Ferber, ausserst ähnlich von
Graf gemalt, von Schulze gestochen und mit
einer treffenden lateinischen Inschrift im Lapidarstyl
vom Hofr. D a s d o r f versehen.
Pahlizsch hinterlies zwei Söhne, welche gleich
ihm, Geschmack an den Wissenschaften fanden.
Der ältere starb 1796 in Plauen, der jüngere,
der
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333
wissen Schirmer zum Unterricht; ein Beweis,
daß er immer noch ein großes Vertrauen zu Beu-
thers, nur boshaft verheimlichter, Kunst hatte.
Wie bekannt liebte August die Geomantie.
Die Königliche Bibliothek besizt von ihm gegen
iooo, zum Theil sehr interessante, geomantlsche
Fragen mit Antworten. Darunter befindet sich
denn auch d-rse: „Ist David Peuters Kunst
wahrhaftin und beständig? — Antwort: Ja sie
ist wahrhaftig und gewis, wie sich denn solches
auch also im Werke befindet und beweiset."
Wahrscheinlich meinte August damit das Gold,
welches Beuther unbemerkt in den Tiegel zu brin-
gen wußte. Um dieselbe Zeit bestellte er auch,
wie sich aus andern geomantischen Fragen er-
giebt, Destillirglaser zum Goldmachen, in
Venedig.
Wäre der Kurfürst nicht so fest von Beuthers
Kunst überzeugt gewesen, so würde er schwerlich
so lange Geduld mit ihm gehabt und noch weni-
ger ihm große Summen vorgeschossen haben.
So bat, z. B. der Betrüger den 28. Febr.
158c» den Kurfürsten schriftlich um 1000 Fl. zu
Echeidewasser, mit dem Versprechen, sie,
binnen 8 Wochen, in feinem Silber oder Gold
wieder zu bezahlen und August gab sie ohne Be-
denken, „verhoffend," wie handschriftliche Quel-
len sagen, „er werde damit dem Ding auf den
Grund wohl kommen." Daneben untersuchte
der
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Extrahierte Personennamen: August David_Peuters David August Beuthers August
zeln und anzubellen. Klaus aber halt ihm das
Maul zu, als ob er ihn verrathen möchte, und
sagt: Lepsch las nicht schnappen. Der
Erzbischof lachte, der Narr kam ungestraft 'da-
von und hatte noch die Ehre, daß seine Rede an
den Hund zum Sprüchwort bei Hofe und bei
manniglich ward, wenn man Jemanden erinnern
wollte, ein Geheimnis nicht auszuplaudern. So
leicht ward es damals dem Narren, sein Bischen
Wiz an den Mann zu bringen. Uebrigens trieb
Klaus nicht blos Possen, sondern auch gebeime
Künste. Denn er konnte „viel zukünftiger
ding, auch so an andern orten geschehen,
verkündigen." So schildert ihn wenigstens
der bekannte Johann Agrikola, welcher ihn noch
gekannt zu haben scheint.
Ernmal läßt man sich allenfalls von Narren
die Zeit vertreiben — oft in ihrer Gesellschaft zu
seyn, ist widerlich. Klaus hat uns heute histo-
risch gle-ichsam die Thüre zur Gesellschaft seiner
Zunftgcnossen aus mehrern Jahrhunderten geöf-
net. Wlr treten ein, um — dann nie wieder
zu kommen.
Mit Klausen zugleich, aber an Herzog Ge-
orgs Hofe, lebte ein Hofnarr mit einem Auge,
welcher während der berühmten Disputation Lu-
thers und Ecks in Leipzig seinem Herrn zu Füs-
sen sas. — Also auch bei so ernsthaften Ver-
Handlungen durfte der Narr nicht fehlen. Uebri-
gens spielte er nicht blos den Statisten. Denn
map sagte ihm, Luther und Eck stritten über sei-
ne
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Extrahierte Personennamen: Klaus Johann_Agrikola Johann
95
Taschenspielereien, worin er besonders stavk war,
so weit, daß er Haus und Equipage besas.
Täglich rilt er, den spizigen Bajazzohut auf dem
Kopfe, in einem andern Narrenkleide, (denn
man hatte 99 ihm fertigen lassen,) nach Hofe,
und hatte einst sogar die Frechheit, mit einem
Korb vollpathenbriefe auf dem Rücken, den gan-
zen Hof zu Gevattern zu bitten, welches ihm na-
türlich ein feines Sümmchen einbrachte. 172z
nahm ihn August I. mit nach Potsdam, wo da-
mals der bekannte Freiherr v. Gundling den
Lusiigmacher bei Hofe spielte. Allein, soviel
Spas man sich auch von dem Zusammentreffen
dieser beiden Menschen dachte, so trocken fiel
gleich die erste Unterhaltung aus. Denn Gund-
ling gab sich mit Joseph, als mit einem gar zu
gemeinen Narren, gar nicht ab, ob dieser gleich
Brüderschaft mit ihm trinken wollte. Hatte
Gundling es wissen können, daß Joseph und an-
dre Narren in Dresden, seinen Tod durch 20 El-
len lange Flore und Mantel mit langen Schlep-
pen betrauern würden, wie würde er sich geärgert
haben! —
Auch den bekannten Deukschfranzos, Trö-
mer, der iede gross und winzige Hofbegebenheit
in scherzhaften Gedichten besang, könnte man ge-
wissermasen in die Klasse der Hofnarren rechnen.
Sein meister Wiz bestand aber nur in einer kau-
derwelschen Sprache, die er aus verhunztem
Deutsch und Französisch sich geschaffen hatte.
Mau
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Extrahierte Personennamen: August_I. Joseph Joseph